NACHGEFRAGT: Das Flughafenprojekt ist entzaubert

Veröffentlicht am 09.08.2012 in Allgemein

Dietlind Biesterfeld

Die SPD Teltow- Fläming will versuchen, ein erweitertes Nachtflugverbot politisch durchzusetzen – zunächst innerparteilich. Über die Erfolgsaussichten sprach mit Dietlind Biesterfeld vom SPD-Unterbezirksvorstand Hartmut F. Reck. (veröffentlicht in der MAZ am 23.05.2012)

MAZ: Warum setzen Sie sich noch für ein längeres Nachtflugverbot ein, wenn das Bundesverwaltungsgericht doch schon alles entschieden hat?

Dietlind Biesterfeld: Das Urteil vom 13. Oktober 2011 hat nur die bisher getroffene Regelung im Sinne eines rechtlichen Mindeststandards bestätigt. Das Urteil schließt aber ein Mehr an Lärmschutz nicht aus.

Aber Flughafengesellschaft und Infrastrukturministerium verweisen ständig auf dieses Urteil.

Biesterfeld: Die Politik kann sich aber nicht dahinter verstecken. Gerichte entscheiden nur, ob etwas rechtlich zulässig ist, und nicht, ob es auch gut und vernünftig ist.

Glauben Sie denn wirklich an einen Erfolg Ihres Vorgehens?

Biesterfeld: Oh ja. Die Gesellschaft entwickelt sich doch weiter, insbesondere was die Sensibilität für Gesundheitsfragen betrifft. Vor 20 Jahren hätte uns noch jeder einen Vogel gezeigt, wenn wir ein Rauchverbot in Gaststätten verlangt hätten. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit. Auch die Sensibilität gegenüber Gesundheitsgefahren, die durch Lärmbetroffenheit entstehen, wird sich verstärken. Die allgemeine Zunahme des Flugverkehrs wird die Politik zwingen, einen besseren Ausgleich zu suchen zwischen dem Schutz der Betroffenen und den Interessen des Flugverkehrs.

Nun hat sich die Politik bisher aber wenig um die Forderungen nach mehr Schallschutz, als die Gerichte es erlauben, geschert. Warum sollte sie es jetzt tun?

Biesterfeld: Unsere Aufgabe als Basis ist es, die inhaltlich richtige Forderung nach mehr Lärmschutz für die Betroffenen aufrechtzuerhalten und die Ängste der Anwohner um ihre Gesundheit aufzunehmen und zu transportieren. Wir wissen, dass man Parteitagsbeschlüsse nicht gerichtlich durchsetzen kann, dafür können wir aber den politischen Druck erhöhen.

Dazu scheint die Zeit ja recht günstig zu sein, oder?

Biesterfeld: Ja, das sehe ich auch so. Das Flughafenprojekt ist ziemlich entzaubert. Vielleicht halten es die Verantwortlichen im Aufsichtsrat ja jetzt für angebracht, ihre Kontrollfunktion stärker wahrzunehmen, anstatt nur das vermeintlich wirtschaftliche Erfolgsprojekt zu preisen. Und vielleicht können sie sich jetzt auch im Sinne der Allgemeinheit verstärkt der Frage des Lärmschutzes widmen.

Aber auch nur vielleicht! Bestimmt ist aber, dass ein Aufsichtsratsmitglied an Parteitagsbeschlüsse nicht gebunden ist.

Biesterfeld: Natürlich nicht. Aber zunächst einmal geht es uns darum, für einen Parteitagsbeschluss eine Mehrheit zu finden. Und dass das Erfolg haben kann, zeigt der Parteitagsbeschluss vom vergangenen Jahr in Falkenberg. Dort haben wir als Etappensieg erreicht, dass keine dritte Start- und Landebahn in Schönefeld gebaut wird. Dem hat sich der Landtag auch angeschlossen.

Aber reicht denn der Druck aus der SPD, auch wenn sie Regierungspartei ist?

Biesterfeld: Er ist schon wichtig für unsere Mitglieder in der Regierung. Genauso wichtig ist aber auch das Volksbegehren, das wir unterstützen und bei dem wir hoffen, dass es gelingt, die nötigen 80 000 Unterschriften zu sammeln. Auch dadurch hoffen wir, die Landesregierung und den Parteivorstand dazu zu bringen, die Themen Lärmschutz und längeres Nachtflugverbot ernster zu nehmen.